Götter und Globuli – Was nicht gegen Corona hilft

Dreiste Lügner, religiöse Fanatiker, betrügerische Esoteriker. Seit Wochen vergeht kein Tag ohne neue, unwissenschaftliche Heilsversprechen in der Corona-Krise. Wenig überraschend: Keine davon zeigt Wirkung. Und zu viele davon haben negative Folgen und tragen häufig sogar zur Ausbreitung des Virus bei. Diese Vorkommnisse untermauern einmal mehr, dass das Vertrauen auf übernatürliche, wissenschaftlich nicht nachweisbare und somit wirkungslose Kräfte nicht nur meist nutzlos, sondern oft sogar schädlich ist. Religionen und Esoterik sollten Privatsache und zu keiner Zeit die Basis für politische Entscheidungen sein oder vom Staat subventioniert werden. Und wer sich aktiv strengen Regularien widersetzt und damit die Gesundheit aller gefährdet, muss entsprechend zur Rechenschaft gezogen werden.

Götterdämmerung für Corona

Die erste große Kategorie der gefährlichen Irrglauben in so einer Krise ist die vielleicht alltäglichste: die “Götter”. Trotz – verantwortungsloser – Massengebete bleiben sie offensichtlich machtlos. Nun soll gerne jeder, dem das hilft, seinen Frieden im Gebet suchen. Aber wer sich nur darauf verlässt und im schlimmsten Fall die Wissenschaft noch verteufelt, ist offensichtlich von allen guten Geistern verlassen. Ganz zu schweigen vom Risiko, das von Massenveranstaltungen ausgeht – auch den religiösen.

Denn das Versprechen, dass ein Gott die Seinen schützen könne, hat sich auch dieses Mal nicht erfüllt. Auch viele religiöse Oberhäupter haben es wohlwissend nicht strapaziert. Uns allen werden die Bilder in Erinnerung bleiben: ein leergefegtes Mekka, wo sich ansonsten regelmäßig Menschen gegenseitig wegen Überfüllung tottreten, und ein verwaister Petersplatz im Vatikan.

An dieser Stelle ist ein Lob für diese Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz der Gläubigen angebracht. Sie waren die verantwortungsvolle, richtige Entscheidung.

Doch leider waren nicht alle so einsichtig. Zu viele Prediger haben in völliger Verkennung der Realität an ihren falschen Versprechungen festgehalten. Zu viele Kirchen und Moscheen sind zu lange offen blieben. Ganz zu schweigen von Sekten, die sich der Zusammenarbeit mit den Behörden widersetzt haben.

Globale Schlacht gegen die Wissenschaft

Ein besonders krasser und folgenschwerer Fall hat bereits zu einer Mordanklage in Südkorea geführt. Die christliche Sekte Shincheonji hatte dort nicht mit den Gesundheitsbehörden zusammengearbeitet. Eine bereits fiebrige Anhängerin nahm an mindestens vier gut besuchten Gottesdiensten teil. Damit hat sie nachweislich die Anzahl der Infektionen drastisch nach oben getrieben. Die sehr effektiven Maßnahmen seitens der südkoreanischen Regierung im Kampf gegen die Verbreitung des Coronavirus wurden so konterkariert und ausgehebelt.

Doch solch fahrlässiges, Menschenleben gefährdendes Verhalten beschränkt sich leider nicht auf einzelne Länder. Im besonders stark betroffenen Iran hatten Gläubige per Videobotschaft dazu aufgerufen, am heiligen Schrein der Fatima zu lecken. Zu diesem Zeitpunkt war die Region bereits ein Epizentrum der Corona-Krise. Noch effizienter lässt sich dieses Virus, das per Tröpfcheninfektion übertragen wird, wohl kaum verbreiten. 

In der Ukraine wurde eine öffentliche Prozession mit Tausenden Teilnehmern gegen das Coronavirus veranstaltet. Währenddessen wird in Polen seitens der hiesigen Bischofskonferenz dazu aufgerufen, besonders viele Messen zu veranstalten.

In Bangladesch wurde gegen den Willen der Behörden ein Massengebet durchgeführt. Und noch gravierender ist die Zusammenkunft von zirka 100.000 gläubigen Predigern östlich von Lahore in Pakistan. Das Treffen fand trotz behördlichem Verbot statt. Es wird womöglich zu einer sehr stark beschleunigten Verbreitung beitragen. Das liegt insbesondere deswegen nahe, da auch internationale Gäste dabei waren und bei 150 Teilnehmern schon zuvor Covid-19 diagnostiziert wurde.

Und auch in den USA ruft Kardinal Raymond Burke dazu auf, doch in mehr Messen zu gehen. Das sei wichtig, um unter anderem  die “Transsexualittät zu bekämpfen”. Der Pastor Rodney Howard-Browne sieht es ähnlich und hat bis vor Kurzem noch sehr gut besuchte Messen abgehalten. Die Gläubigen wurden sogar extra kostenlos per Bus zu den Kirchen gebracht. Für diese unfassbare Fahrlässigkeit wurde der Priester festgenommen. Und dass Trump lieber betet, als die Pandemie von Anfang an ernst zu nehmen und entsprechend zu handeln, ist leider das politische Sahnehäubchen.

Massenveranstaltungen schaden – egal, welcher Gott sie angeblich schützt

Auch viele der ultra-orthodoxen Juden in Israel verweigern sich den Schutzmaßnahmen der Regierung. Sie halten sich vielfach nicht an die Ausgangssperren und versammeln sich zu Gebeten. Das Resultat: In den religiösen Vierteln sind die Infektionszahlen bereits deutlich erhöht.

Ähnlich in Indien der Guru Baldev Singh. Der hat sich der Isolationsquarantäne widersetzt und ist durch zahlreiche Dörfer gereist, obwohl er bereits erkrankt war. Letztlich ist er gestorben, aber die Region wurde nun abgeriegelt. Die lokalen Behörden befürchten, dass er für die Infektion von Tausenden Menschen verantwortlich ist.

Zuletzt machte auch Bolsonaro, der Präsident Brasiliens, von sich reden. Er versuchte, Gottesdienste von den (viel zu spät) eingeleiteten Shutdown-Maßnahmen auszunehmen. Das scheiterte aber am Widerstand von lokalen Gouverneuren und schlussendlich auch an einem Gerichtsurteil.

Aber man kann auch anders der Gesellschaft schaden. Was haben der christliche US-Prediger Steven Andrew, der jüdische Rabbi Meir Mazuz, der ukrainische Patriarch Filaret Denyssenko und der irakische Kleriker Muktada al-Sadr gemeinsam? Sie bilden ein absurdes, aber letztlich doch gar nicht so überraschendes Homophobie-Quartett, das natürlich einen anderen Auslöser für die Pandemie gefunden hat als die Wissenschaft: Sie alle halten das Coronavirus für eine Strafe für Homo- bzw. Transsexualität.

Deutschland ist bei all diesen Beispielen natürlich keine Ausnahme. Auch hier regt sich Widerstand gegen untersagte Gottesdienste. Zumindest werden hier jedoch die Regeln nicht ignoriert, sondern der juristische Weg beschritten. Es zeugt jedoch definitiv von Unvernunft, diese Messen durchführen zu wollen. In Berlin und Bayern sind die Kirchen mit ihrem Vorhaben gescheitert und haben vor Gericht Niederlagen erlitten.

Pseudomedizin hilft nicht gegen Corona

Die zweite große Kategorie ist all das, was uns gern als Medizin verkauft wird, aber im besten Fall nichts tut und im schlechtesten Fall tödlich ist. Hier hat sich Donald Trump mit einem fatalen Ratschlag hervorgetan. Er hat mit seiner Reichweite direkten Schaden verursacht, indem er Gerüchte weiterverbreitete, laut denen ein Malariamittel gegen Corona helfen würde. Diesen Falschausagen schenkten manche US-Amerikaner Glauben und nahmen das Mittel zu sich, woraufhin ein Mensch sogar gestorben ist. Auf Stimmen, die seinen Behauptungen widersprachen, wollte er nicht hören.

Zuckerpillen und andere Wundermittel gegen Corona

Wo es um Pseudomedizin geht, ist auch Homöopathie nicht weit. Kurz gesagt: Nein, sie hilft nicht gegen Corona. Das hält ihre Anhänger aber natürlich nicht davon ab, sie als Heilmittel zu bewerben. So meint etwa die Homöopathin Cornelia Bajic wie viele andere, die diese Aussage verbreitet haben, „Arsenicum album C30” wäre die Antwort, wenn im näheren Umfeld Erkrankungsfälle bekannt seien. Nachdem die Ärztekammer Nordrhein eingeschaltet wurde und diese den Beitrag zur Prüfung an die eigene Rechtsabteilung gegeben hatte, wurde der Post gelöscht.

Auch aus dem Lager der Anthroposophie gab es natürlich fragwürdige Ratschläge. Neben vielen wirren Thesen um fehlerhafte “Beziehungen zu Erde und Sonne”, die für Erkrankungen verantwortlich sein sollen, wird die Wirksamkeit von sogenanntem “Meteoreisen” angepriesen, vertrieben unter dem Namen “Meteoreisen Globuli Velati”. Nebenbei spielt der Text noch die Wirksamkeit von Impfungen herunter. Er bewirbt also Unsinn und stellt nebenbei ausgerechnet das wichtigste Instrument im Kampf gegen die Pandemie in Frage.

Generell wird im anthroposophischem Lager die Legende aufrechterhalten, dass ausgerechnet bei Pandemien, wie damals der Spanischen Grippe, die Homöopathie besondere Erfolge aufzuweisen hätte.

Und neben magischen Zuckerpillen gibt es noch viele andere Wundermittel, die nicht wirken: Zwiebeln, Vitaminpräparate und Heilzeichen der Plejader. All diese Nicht-Mittelchen verbindet dasselbe Problem: An sich schaden sie nicht, wenn man sie anwendet, aber wenn solche falschen Behauptungen Menschen davon abhalten, echte medizinische Hilfe aufzusuchen, wird es gefährlich.

Tödliche Wunder

Die nächste Stufe ist Chlordioxid, das selbsternannte Wunderheiler gern als “Miracle Mineral Solution”, kurz MMS, verkaufen. Immer wieder vergiften Menschen sich damit in naiver Hoffnung, während Scharlatane von ihrem doppelten Leid profitieren – bei weitem nicht nur, aber natürlich auch während dieser Pandemie.

Eine wirklich fatale Fehleinschätzung ereignete sich im Iran. Dort, wo Alkohol generell verboten ist und man diesen nur von windigen Schwarzbrennereien erhält, wollten sich viele Menschen mit der Einnahme von Methanol gegen das Virus wappnen oder es bei einer bereits vorhandenen Infektion bekämpfen. Für Hunderte Iraner bedeutete dies den Tod, über 1.000 sind schwer erkrankt. Irrglaube und Fake News sind leider zu oft mit dem Leben nicht vereinbar.

Etwas kurioser als der Rest, aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gesundheitsgefährdend und definitiv falsch ist die Behauptung eines indischen Gurus, dass Kuh-Urin und -Kot gegen Corona helfen würde. 

Die Gefahr der Esoterik

Schon einzelne Beispiele hätten gereicht, aber dieser umfangreiche und bei weitem nicht vollständige Katalog zeigt, wie viel Schaden esoterischer und religiöser Schwindel anrichten können. Je mehr sich eine Gesellschaft diesen irrationalen Ansichten unterwirft, desto größer das Gefahrenpotential. In Deutschland belächeln die meisten solche irrlichternden Stimmen glücklicherweise nur noch. Doch in anderen Regionen der Welt, selbst in den USA, haben sie mehr Gewicht und können verheerende Wirkungen haben.

Wenn Menschen das Bedürfnis verspüren, gerade in solchen schwierigen Zeiten, an eine transzendentale Kraft zu glauben, so sollte ihnen dies natürlich keinesfalls verwehrt sein. Es ist jedoch von großer Bedeutung, dass solche Gemeinschaften nicht über andere entscheiden dürfen oder diese durch ihr Verhalten in Gefahr bringen.

Es bleibt zu hoffen, dass sich noch während oder zumindest nach der Krise die Einsicht stärker einstellt, wie fatal manch esoterischer Irrsinn ist. Immerhin der Papst hat eingesehen, dass er seinen stärksten Zauberspruch, “Urbi et Orbi”, besser ohne Publikum vollführen sollte, damit sich niemand auf dem Petersplatz ansteckt.

Das Schreiben (und Lesen) dieses Textes mag anstrengend gewesen sein, doch uns bekräftigt das nur in unserer Mission: Unsere Hoffnungen ruhen auf jeden Fall weiterhin auf Wissenschaftlern rund um den Globus, die unter Hochdruck an einem Impfstoff und Therapiemaßnahmen forschen. Diese müssen wir unterstützen und stärken!