Tatbestand: Kastenstand

Es sind leider äußerst schlechte Nachrichten für Tierschützer und natürlich insbesondere für die betroffenen Säue: Am vergangenen Freitag wurde im Bundesrat über eine Gesetzesänderung zur Verwendung von „Kastenständen“ entschieden. Unter anderem auch mit den Stimmen der Grünen wurde beschlossen, dass diese Metallkäfige zur Fixierung der weiblichen Schweine noch mindestens ganze acht Jahre fortbestehen werden. Darüber hinaus wurden sie mit dem Beschluss überhaupt erst legalisiert, bislang war diese Haltungsform rechtswidrig. Die Entscheidung verwundert und entsetzt uns. Als evolutionäre Humanisten sehen wir es als unsere ethische Pflicht, für das Wohlergehen dieser Tiere zu sorgen und Leid zu verringern. Dieses Ziel muss höher gewichtet werden als Traditionen, Unterhaltung, religiöse Riten oder wirtschaftliche Interessen. Stattdessen passiert zu wenig und zu spät.

Leid im Kasten

Bei Kastenständen handelt es sich um Metallkäfige zur Fixierung, in denen sich Zuchtsauen mit minimalem Bewegungsraum vor allem während der Trächtigkeit und nach dem Abferkeln aufhalten. Sie sollen so einerseits das unbeabsichtigte Erdrücken von Ferkeln verhindern, die Arbeitssicherheit für die Landwirte sichern, aber auch die Wirtschaftlichkeit erhöhen. Für die Sauen bedeuten die Kastenstände allerdings zusätzliches Leid: Sie können ihr Sozial- und Erkundungsverhalten nicht ausleben und weisen Verhaltensstörungen und Hautverletzungen auf (PDF). Der Kastenstand gehört damit zu den Praktiken, auf die künftige Generationen mit absolutem Unverständnis darüber zurückblicken werden, wie man empfindsamen Lebewesen derartiges Leid aus Gründen der Profitmaximierung und Bequemlichkeit zufügen kann.

Denn es gibt viel Spielraum, wenn man die Situation der Sauen verbessern und die Fixierungszeit stark verkürzen möchte. Natürlich bedeutet es Aufwand und Kosten, wenn Kastenstände abgeschafft werden. Dies führt zwar potentiell zu höheren Fleischpreisen, aber angesichts der ethischen Aspekte sind solche Erhöhungen vollkommen legitim. Einige europäische Länder, wie beispielsweise Großbritannien und Dänemark, sind hier weiter als wir. Dort gibt es bereits derartige Regelungen.

Nicht genug und das zu langsam

Es braucht dringend eine Änderung der Gesetze hin zu mehr Tierschutz und Tierwohl. Die Abschaffung des Kastenstands nach acht Jahren und der reduzierte Einsatz bis dahin sind partielle Verbesserungen, aber bei Weitem nicht genug — und viel zu spät. Die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung ist von 1992 und damit fast 30 Jahre alt. Das Magdeburger Urteil, das bestätigt, dass der Kastenstand in seiner aktuellen Form gegen diese Verordnung verstößt, ist bald fünf Jahre alt. Dass es hier Veränderung geben muss, ist also keine Überraschung, sondern war nur eine Frage der Zeit. Vernünftige Landwirte, die sich für Tierwohl interessieren, hätten hier auch schon längst agieren können und müssen. Es ist daher fast schon absurd, dass es nun Fördermittel gibt, damit die, die bisher gegen die Verordnung verstoßen haben, es in Zukunft bitte nicht mehr tun. Und bei alledem betrifft das nicht mal alle Anwendungen des Kastenstands. Im Abferkelbereich wird er weiterhin wie gehabt eingesetzt.

Der Kastenstand muss weg oder auf das — aus Tierwohlperspektive — absolut notwendige Minimum reduziert werden. Die Übergangsphasen dafür sollten nicht bei den ursprünglich von der CDU-Ministerin Klöckner vorgeschlagenen 17 oder den jetzt erstrittenen 8 Jahren liegen, sondern müssen zügig umgesetzt oder die Betriebe eben geschlossen werden. Es gab genug Vorlaufzeit, eine derart lange Übergangsphase ist nicht mehr gerechtfertigt und bedeutet daher nur mehr Leid für die Tiere.

Massentierhaltung und Tierwohl

Doch Kastenstände sind bei Weitem nicht das einzige Problem, das es in der deutschen Tierhaltung gibt. Man kann ganze Bücher darüber verfassen, wo wir überall beim Tierschutz nachbessern müssen. Ein wichtiges Beispiel sind dabei natürlich Hühner. Nach wie vor werden in Deutschland jährlich um die 45 Millionen männliche Küken aus Gründen der Wirtschaftlichkeit durch „Schreddern“ oder Vergasen getötet, obwohl im Koalitionsvertrag ein Ende bis Oktober 2019 vorgesehen war. Auch Ausnahmegenehmigungen zum betäubungslosen Schächten werden nach wie vor unter Berufung auf die Religionsfreiheit erteilt, obwohl umstritten ist, ob die von Verfechtern der Methode postulierte Bewusstlosigkeit tatsächlich ausreichend schnell eintritt oder die Tiere zusätzlichem Leid ausgesetzt werden. 

Als vernunftbegabte Lebewesen tragen wir Verantwortung für das Leid und Wohlergehen der Tiere, die in unserer Obhut stehen. Dies sollte sich auch in unserer Gesetzgebung, in der Entwicklung neuer Technologien und Ernährungsweisen widerspiegeln. Der Ausstieg aus Kastenhaltung und dem Schreddern von Küken ist möglich und nötig. Auch in Bezug auf religiöses Schächten ist eine Änderung erreichbar, wenn der Dialog vor allem mit reformwilligen Gläubigen gesucht wird.