Spahn blockiert (noch immer) Sterbehilfe

Seit 1751 war in Preußen und später im Deutschen Reich ein Suizidversuch nicht strafbar, folgerichtig auch nicht die Beihilfe. Der Mensch gehört nicht dem Staat und deshalb darf der Staat ihm dieses Recht auch nicht verwehren. Doch am 6.11.2015 – ein schwarzer Freitag für die Selbstbestimmung am Lebensende – hat der deutsche Bundestag diesem liberal-aufgeklärten Denken ein Ende gesetzt und unter maßgeblichen Einfluss der christlichen Kirchen den § 217 eingeführt. Eine Mehrheit von 260 Stimmen bei 233 Gegenstimmen und 9 Enthaltungen hat  zum ersten Mal in der deutschen Geschichte die Beihilfe zum Suizid unter Strafe gestellt und damit ein verfassungswidriges Gesetz verabschiedet. Dabei wurden vom damaligen Gesundheitsminister Gröhe die Vorstellungen der evangelischen Kirche praktisch eins zu eins umgesetzt und selbst 150 protestierende Verfassungsrichter konnten dagegen nichts ausrichten.[1]

Über die Unlogik, dass die Beihilfe zu einer straffreien Handlung nicht strafbar sein kann, setzte sich der Gesetzgeber großzügig hinweg. Er hat mit dem § 217 StGB ein Gesetz geschaffen, das ein nicht existentes Rechtsgut schützt. Es muss schließlich niemand geschützt werden, der freiwillig aus dem Leben scheiden will.

Seit im Februar 2020 der Paragraf 217 StGB vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft wurde, weigert sich Jens Spahn jedoch, die Bedingungen zu schaffen, damit das Recht auf Sterbehilfe umgesetzt werden kann. Selbst höchstrichterliche Urteile mit Handlungsempfehlungen an die Bundesregierung ignoriert er. [2]

Er fürchtet, aus dem Recht könnte eine Gewohnheit und schließlich eine Pflicht werden. Ein sehr merkwürdiges  Menschenbild! Seine Weigerung ist ein Ausdruck von Staatspaternalismus, der die persönlichen Entscheidungsrechte von Patienten und Ärzten missachtet. Spahn handelt „verfassungswidrig“ (Verfassungsrechtler Gersdorf). 

In der Werteordnung des Grundgesetzes steht die Würde des Menschen und damit seine Selbstbestimmung (und nicht das Leben) an oberster Stelle. Und diese betrifft das gesamte Leben und schließt auch den selbstbestimmten Tod mit ein.

Unsere ganze Position zum Thema Sterbehilfe im findet ihr hier.

  1. https://www.jura.uni-wuerzburg.de/fileadmin/02150100/Dateien_fuer_News/Resolution_zur_Sterbehilfe_21_7.pdf
  2. https://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2020/Sterbehilfe-Spahn-boykottiert-Recht,sterbehilfe360.html