Die FDP: konservativ und wenig humanistisch

Die FDP steht laut eigenem Selbstbild für progressive, liberale und weltoffene Politik. Diesen Ansprüchen wird die Partei jedoch keinesfalls gerecht. Gerade in den letzten Jahren gab es vermehrt Aussagen, Abstimmungen und Wahlomat-Antworten, die in die gegenteilige Richtung gingen. Es zeigt sich, dass die FDP nicht so modern und zukunftsorientiert ist, wie sie sich wohl selbst gerne sieht.

Die Abweichungen zwischen PdH und FDP zeigen sich deutlich bei den Wahlomaten. Hier sieht man schwarz auf weiß die Distanz, die sich aufgrund der Antworten ergab:

Es sind wirklich viele Themen, bei denen die Herangehensweise abweicht.
Aber eins nach dem anderen:

Klimawandel

Anders als bei uns steht bei der FDP das Thema menschengemachter Klimawandel wohl in der Prioritätenliste weit unten. So verneinte sie beispielsweise beim Wahlomaten zur EU-Wahl die Frage, ob sich Europa höhere Ziele zur CO2-Vermeidung setzen sollte, mit der Begründung:

„Eine einseitige Zielverschärfungen ohne intensivere internationale Kooperation und Anrechnung von Emissionsreduktionen schadet der europäischen Wettbewerbsfähigkeit und bringt keine zusätzliche Klimaschutzwirkung. Wir setzen beim Klimaschutz auf die Kraft neuer  Technologien und die Kreativität des Marktes. Zudem wollen wir dort ansetzen, wo große Mengen an CO2-Emissionen mit relativ geringem Aufwand schnell vermieden werden können: etwa durch großflächige Aufforstung.”
(https://archiv.wahl-o-mat.de/europawahl2019 – abgerufen am 24.02.2021)

Wir sind ebenfalls sehr offen gegenüber neuen Technologien und effizienten Investments, die den Klimawandel bremsen können. Doch das allein wird nicht reichen. Ambitionierte Ziele und umfangreiche Reduktionsmaßnahmen – überall auf der Welt – sind notwendig, wenn wir die Klimakrise effektiv angehen wollen. Klientelpolitik für die deutsche oder europäische Wirtschaft wird dem nicht gerecht und verkennt auch die Hebelwirkung auf dem Weltmarkt, die historische Verantwortung sowie die starke Vorbildfunktion, die die EU hat.

Und bei alledem ist die FDP wohl nicht mal wirklich offen für alle Technologien, wenn man sich den starken Fokus auf „Wasserstoff-Verbrenner“ anschaut (https://www.wahl-o-mat.de/bw2021/app/main_app.html – abgerufen am 24.02.2021)

„Die FDP hat bei der Mobilitätspolitik der Zukunft drei wesentliche Ziele: den Erhalt individueller Mobilität für die Menschen, die das wollen, den Erhalt zukunftsfähiger, gutbezahlter Arbeitsplätze und echte  Klimafreundlichkeit. Hier ist der Verbrennungsmotor, den wir mit  synthetischen Kraftstoffen und der Wasserstofftechnologie in eine klimaneutrale Zukunft führen wollen, der batterieelektrischen Mobilität in allen Bereichen überlegen.”

Eine derart verfrühte Festlegung auf eine noch nicht massentauglich erprobte Technologie erscheint uns waghalsig. Zumal die beachtlichen Fortschritte bei E-Autos außer Acht gelassen werden.

Die fehlende Ambition beim Engagement gegen den Klimawandel zeigt sich auch beim Kohlestrom in Deutschland. Die Freidemokraten verzichten komplett auf ein konkretes Enddatum. Somit haben sie nicht einmal das Ziel eines Ausstiegs im Jahr 2038. Wir hingegen fordern ein Ende bis spätestens 2030 und effiziente CO2-Bepreisung, die das vermutlich sogar früher herbeiführen würde.
(https://www.fdp.de/smarte-loesungen-statt-alleingang – abgerufen am 24.02.2021)

Bei so einer schwierigen und rückwärtsgewandten Beziehung zu einem der wichtigsten politischen Themen unserer Zeit, überrascht es nicht, wie fragwürdig einflussreiche FDPler darauf reagiert haben, dass der ÖRR nun auf Instagram einen Info-Kanal zur Klimakrise gestartet hat. Die Aufklärung über den Klimawandel allein wurde bereits als „Wahlkampf für die Grünen“ interpretiert – statt als Chance, sich mit sinnvollen Lösungen zu profilieren.
(https://twitter.com/Lambsdorff/status/1363537142471876616 – abgerufen am 24.02.2021)

Das ist natürlich Unsinn. Wir hingegen verknüpfen liberale Überzeugung und wissenschaftlichen Anspruch bzw. ambitionierte Klimapolitik. Man muss nicht die Grünen wählen, wenn man Klimaschutz will. Und offensichtlich kann man die FDP nicht wählen, wenn man Klimaschutz will. Wir verbinden das Beste dieser beiden Welten.

Säkularisierung

Es hat uns doch verwundert, dass die FDP den Gottesbezug in der Verfassung erhalten will. Die Frage im Wahlswiper BaWü hätte man ja sogar mit „neutral“ beantworten können. Die Freidemokraten überraschen vor allem mit einer Begründung, die Traditionen über alles stellt:

„Der Gottesbezug ist Ausfluss eines gewachsenen Wertekanons. Konkrete Rechte und Pflichten lassen sich hieraus nicht herleiten, sondern aus anderen Gesetzen. Eine Streichung des Gottesbezugs hätte umgekehrt den Charakter, die Gesellschaft zu spalten und bestehende Gräben zu vertiefen.“
(https://www.voteswiper.org/de/germany/state-election-baden-wurttemberg-2021 – abgerufen am 24.02.2021)

Und tatsächlich plädieren sie gegen die Abschaffung des Religionsunterrichts an den Schulen:
 „Wir werden an dem vom Grundgesetz vorgesehenen Religionsunterricht  festhalten und für diejenigen, die daran nicht teilnehmen wollen,  Ethikunterricht bereits ab der Grundschule anbieten. Für Schülerinnen  und Schüler muslimischen Glaubens streben wir ein möglichst  flächendeckendes Angebot an islamischem Religionsunterricht in deutscher  Sprache an.”
(https://www.wahl-o-mat.de/bw2021/app/main_app.html – abgerufen am 24.02.2021)

Sehr stark enttäuscht hatte die FDP auch damals 2012, als sie die Beschneidung männlicher Säuglinge und Kinder mit legalisiert hatten im Bundestag. Es waren sogar außerordentlich viele Ja-Stimmen, deutlich mehr als bei den Grünen, der SPD und den Linken. Religiöse Riten wurden hier klar über das Kindeswohl gestellt.
(https://www.bundestag.de/parlament/plenum/abstimmung/abstimmung/?id=169 – abgerufen am 24.02.2021)

Für einen konfessionell-neutralen Staat setzt sich die FDP nicht ein.

Gesellschaft

Eine Zeitlang erschien die FDP wie ein Mitstreiter bei der Drogenpolitik, zumindest wenn es um Cannabis geht. Doch selbst hier haben sie bei einem Antrag im Bundestag einen Rückzieher gemacht und doch nur mit Enthaltung gestimmt. Das sogenannte Cannabiskontrollgesetz wäre noch nicht ideal gewesen, aber zumindest endlich ein erster Schritt in die richtige Richtung.
(https://www.bundestag.de/presse/hib/792930-792930 – abgerufen am 24.02.2021)

Die FDP ist zwar grundsätzlich für die gleichgeschlechtliche Ehe in Deutschland, jedoch vertritt sie dies nicht für ganz Europa. Dort haben sie beim Wahlomaten der EU-Wahl lediglich eine neutrale Position eingenommen. Dabei ist es offensichtlich gerade in Anbetracht der Entwicklung in manchen EU-Ländern dringend geboten, sich so vehement wie möglich für mehr freiheitliche und selbstbestimmte LGBTQ-Rechte einzusetzen.
(https://archiv.wahl-o-mat.de/europawahl2019/ – abgerufen am 24.02.2021)

Desweiteren ist es für die FDP weiterhin okay, wenn die Leistungen von Hartz-IV-Beziehern gekürzt werden, wenn Jobangebote abgelehnt werden. Wie passt das zusammen mit Liberalität und vor allem der Selbstbestimmung des Individuums?
(https://www.wahl-o-mat.de/bw2021 – abgerufen am 24.02.2021)

Es ist zudem überraschend, dass die FDP sich dafür ausspricht, dass die Polizei Personen verdachtsunabhängig kontrollieren darf.
Ehrlich gesagt reiben wir uns auch hier die Augen: Wie ist das mit freiheitlichen Bürgerrechten vereinbar?
( https://www.wahl-o-mat.de/bw2021 – abgerufen am 24.02.2021)

Gesundheitssystem und Infrastruktur

Während wir für ein Ende der Zweiklassenmedizin einstehen, also die Abschaffung der privaten Vollkrankenversicherungen, ist dies natürlich bei der FDP absolut kein Thema. Zudem möchten wir Privatisierungen von Krankenhäusern rückgängig machen. Die medizinische Versorgung sollte nicht von den finanziellen Möglichkeiten der Patienten abhängen.

Gleiches gilt für die Basisinfrastruktur, also Straßen, Wasserversorgung, usw.
Diese grundlegenden Aspekte der Versorgung sollten vom Staat gestellt werden und nicht privatisiert werden.

Tierschutz

Es gibt wohl keine Partei, die eine derart unterentwickelte Haltung zu Tierschutz aufweist, wie die FDP. Für uns steht fest: Es ist unsere ethische Pflicht als Humanisten, für das Wohlergehen dieser Tiere zu sorgen und Leid zu verringern. Dieses Ziel muss höher gewichtet werden als Traditionen, Unterhaltung, religiöse Riten oder wirtschaftliche Interessen.

Bei der FDP sieht man das wohl anders.

Peta mag zwar nicht immer die objekivste Quelle sein, doch die Beantwortung ihrer Fragen im Vorfeld der letzten Bundestagswahl erfolgte letztlich durch die FDP selbst. Und das Ergebnis spricht wirklich Bände. Kleiner Spoiler: Von 34 Fragen zum Tierschutz haben sie genau eine mit Ja beantwortet:
https://www.petazwei.de/bundestagswahl-2017-so-stehen-die-parteien-zum-tierschutz

Unsere Positionen hingegen haben beispielsweise bei der Landtagswahl Sachsen für Platz 1 des Wahlomaten von Anima e.V. gesorgt:
https://www.facebook.com/parteiderhumanisten.sachsen/posts/der-tierschutzomat-alias-anima-ev-hat-den-parteien-zur-sachsenwahl-mehrere-frage/472667126650058/

Steuern

Die FDP strebt eine Vereinfachung des Steuersystems an, die insbesondere zu einer Senkung für Besserverdienende führen würde.

Wir hingegen fordern die Einführung einer weiteren Tarifzone der Einkommenssteuer mit einem Spitzensteuersatz von 50% ab einem Jahresbruttoeinkommen von einer Million Euro. Alle Einkünfte, auch die aus Kapitalvermögen, sollen über die progressive Einkommenssteuer  versteuert werden anstatt pauschal mit 25%, wie es aktuell der Fall ist. Schenkungen und Erbschaften von wirtschaftlich genutztem Vermögen, insbesondere Unternehmensbeteiligungen und vermieteten Immobilien, fallen ebenfalls unter diese Regelung. Deren Versteuerung kann aber auf bis zu zehn Jahre verteilt und bei Härtefällen gestundet werden.Unser Ziel ist eine soziale und faire Gesellschaft, in der Leistung und unternehmerische Initiative belohnt werden und in der jeder Mensch die Möglichkeit zum Aufstieg hat.

Fazit

Zu einer progressiven Partei gehört mehr, als nur schnelleres Internet zu fordern. Die Werte, für die die FDP steht, sind offensichtlich häufig noch konservativ geprägt und nur in Ausnahmen progressiv und liberal.