Fridays for Few – isoliert sich die Klimaschutzbewegung?

Die Bekämpfung des Klimawandels ist die wohl größte Aufgabe unserer Generation. Doch wie sehr sollten andere politische Forderungen mit dem Kampf für mehr Klimaschutz verwoben werden? In der öffentlichen Kommunikation scheint sich in Teilen von Fridays for Future ein Trend abzuzeichnen, den nicht mehr alle Wegbegleiter mitgehen könnten.

Dabei hat Fridays for Future Großes erreicht. Die mittlerweile in fast allen Ländern der Welt vertretene Bewegung hat es geschafft, dass die Klimaschutz-Thematik endlich jene Aufmerksamkeit erhält, die sie schon seit Jahrzehnten verdient hätte. 

Durch ihr Engagement wissen es jetzt die meisten: Die Bekämpfung des Klimawandels ist die wohl größte Herausforderung unserer Generation. Und Fridays for Future ist noch gewachsen: Es haben sich auch Scientists, Architects, Parents, Psychologists und viele mehr versammelt und ihre Solidarität bekundet. Eine Massenmobilisierung fürs Klima, die wir in unserer Konsensdemokratie dringend brauchen.

Doch die Mühlen der Politik mahlen langsam, die vernünftigen Forderungen der For-Future-Bewegungen hin zu Klimaneutralität werden zwar von vielen Seiten begrüßt, aber gerade die Regierungsparteien, oft in Koalitionen verbandelt, tun sich schwer mit der Umsetzung [1] [2]. Das ist ärgerlich für all jene, für die Klimaschutz ein wichtiges Anliegen ist, auch uns. Regierungen müssen zwar viele Interessen unter einen Hut bringen, aber die letzten Jahre haben gezeigt, dass der Wille zur Umsetzung von mehr Klimaschutz weit hinter den Erwartungen und der wissenschaftlichen Notwendigkeit zurücksteht [3].

Der Frust all jener, die sich für Klimaschutz einsetzen, ist nachvollziehbar.

Schon früh mischte sich dieser Frust in die Proteste und vermengte sie, teils berechtigt, dabei mit weiteren politischen Forderungen: Klimakrise, Flüchtlingskrise, soziale Krise. Proteste funktionieren stets besser mit einem klaren Feindbild, das man zusehends im Kapitalismus [4], den ewig Gestrigen [5], der weißen Wohlstandsgesellschaft [6] und allen voran den „Boomern“ fand [7]. Aus dem Ruf zum Kampf gegen Climate Change wurde schon früh der Ruf nach einem System Change [8]. Dazu hatten wir uns auch schon hier geäußert, da wir diese Entwicklung skeptisch sehen:

https://www.pdh.eu/2020/08/24/fridays-for-future-protest-ohne-polemik/

Gerade anfangs wehrte man sich vehement gegen jede Vereinnahmung durch Parteien oder sah diese zumindest sehr kritisch [9]. In einigen Fällen lud man sie sogar explizit von Demonstrationen aus oder grenzte sich öffentlich von ihnen ab [10], vor allem gegen die radikale Linke [11].

Heutzutage sind diese Grenzen eher fließend. Einige For-Future-Aktivisten politisierten sich hinreichend und forderten Mitgestaltung in den etablierten und weniger etablierten Parteien. Dies führte vorwiegend zur Beteiligung bei den Grünen, aber auch im linken Bereich des politischen Spektrums gibt es Anstrebungen [12] [13]. Eine Entwicklung, die durchaus konsequent und sinnvoll ist – sieht man hierbei doch die Professionalisierung der Klimabewegung. Anstatt nur zu kritisieren, wollten nun einige anfangen mitzugestalten.

Der Protest, gerade in Zeiten von Corona, hat sich von der Straße in die Wohnungen verlagert und Teile dieser Protestbewegung wollen ihn in den Parlamenten in politische Arbeit umwandeln [14]. So schlossen sich einige der sogenannten Klimaliste an, die im Selbstverständnis einer kompromissloseren Version der Grünen nahe kommt und für die Klimaschutz über allem steht [15]. 

Doch nicht alle fanden ihr Zuhause in einer Partei, viele blieben der Bewegung treu oder widmeten sich radikaleren Protestformen, zum Beispiel bei Extinction Rebellion, die schon früh unrühmliche Aufmerksamkeit auf sich zogen [16] [17] [18] [19]. Diese waren zwar vielerorts störend, aber im Sinne des Klimaschutzes wenig erfolgreich [18]. Bei Extinction Rebellion darf man auch nicht vergessen, dass es sich hierbei um eine Bewegung mit in ihrem Grundsatz zweifelhaftem Verhältnis zu demokratischen Systemen handelt [20] [21]. Manche haben Fridays for Future sogar gänzlich den Rücken gekehrt und üben nun von außen Kritik [22]. Dieser Balance-Akt zwischen öffentlichem Protest, politischem Gestaltungswillen und Radikalisierung begleitet die Bewegung von Anfang an [23].

In der öffentlichen Wahrnehmung ist mit der Corona-Krise das Thema Klimaschutz eher zur Randnotiz geworden, die Menschen haben aktuell andere Sorgen [24]. Mit Lockdown und ohne Hitzesommer verständlich, hat die öffentliche politische Wahrnehmung doch bedauerlicherweise ein sehr kurzes Gedächtnis und bewertet kurzfristige Wetterlagen höher als das Weltklima. Also wie weitermachen?

Die schon zuvor vereinzelt sichtbaren Schulterschlüsse mit dem linken Rand oder auch der Antifa werden augenscheinlich intensiviert [25] [26] [27]. Die Rhetorik wird schriller. Immer wieder tauchen inhaltlich fragwürdige Social-Media-Beiträge auf [28]. Schon früher fielen einzelne Vertreter durch bedenkliche Aussagen auf [29]. Zu den bisher öffentlich extremeren Formen gehören die derzeitigen sogenannten Take-overs des deutschen Twitteraccounts (immerhin mit fast 170.000 Followern mit jeder Menge Reichweite ausgestattet) durch andere Fridays for Future nahestehende Twitternutzer. Diese stammten bisher unter anderem aus der Antifa-Szene, die eine radikale linke Rhetorik an den Tag legten und sogar gezielt vermeintliche Mitstreiter angriffen [30] [31] [32] [33]. Mitstreiter, die zwar die Forderung nach mehr Klimaschutz teilen, aber nicht jede Facette des propagierten System Change mittragen wollen. Dies ist bisher zwar erst wenige Male geschehen, zeigt jedoch eine bedenkliche Richtung auf. Wo steht die Fridays-for-Future-Bewegung nun Anfang 2021? 

Die Bewegung wirkt zerfasert, einige stecken in Parteien, andere in parteiartigen Listen, wieder andere vermengen Klimaschutz mit linksextremen Parolen und viele versuchen auch heute noch der Grundidee treu zu bleiben. 

Fridays for Future ist in Teilen zu genau dem geworden, das die Bewegung anfangs ablehnte [34] [35]. Sie haben sich selbst politisch instrumentalisiert. 2019 konnte Fridays for Future noch viele Hunderttausend Menschen mit unterschiedlichsten gesellschaftlichen und politischen Hintergründen gemeinsam für Klimaschutz auf die Straßen ziehen und eine globale Debatte entflammen. Heute könnte die kontinuierliche Zusammenarbeit mit der Antifa oder anderen politisch radikalen Organisationen und deren aggressive Ausdrucksweise schlussendlich potenzielle Unterstützer verprellen.

Aus einer klimapolitischen Graswurzelbewegung könnte somit zusehends eine ideologisierte Protestbewegung werden, die weder Überparteilichkeit noch Universalität beim Kampf gegen den Klimawandel für sich beanspruchen kann. Bei einigen Sprechern geht dies mittlerweile so weit, dass Klimaschutz nicht mehr möglich sei, wenn man gleichzeitig nicht auch mindestens zum Beispiel antikapitalistisch, feministisch und antipatriarchalisch ist. Es werden also radikale Bedingungen gestellt, ehe man an Klimaschutz denken könne. So wird Klimaschutz nur noch zum Nebenthema.

Diese Beobachtung mag zwar nicht auf alle Gruppen und Vertreter von Fridays for Future zutreffen; es ist aber doch eine besorgniserregende Momentaufnahme ihrer öffentlichen Wahrnehmung. Zum Glück gibt es auch heute noch die besonnenen Stimmen bei Fridays for Future, die sich nicht radikaler Rhetorik bedienen, sondern reflektierte Forderungen und Konzepte erarbeiten [36]. Es bleibt zu hoffen, dass eher diese zukünftig Fridays for Future die Stimme geben werden.

Die Bekämpfung des Klimawandels bedarf einer breiten Masse an Unterstützern aus allen Teilen der Bevölkerung. Radikalisierung und ideologische Rhetorik werden diese Aufgabe nicht erfüllen können, sondern eher das genaue Gegenteil zur Folge haben.

Die Bekämpfung des Klimawandels ist unser aller Aufgabe: die wohl größte Herausforderung unserer Generation. Hier braucht es Mut zur Einheit und gesellschaftliches Entgegenkommen, anstatt ideologischer Spaltung. Fridays for Future, wir sehen euch als wichtigen Mitstreiter für erfolgreichen Klimaschutz und bitten euch hier, nicht den Fokus zu verlieren.

Wir sehen im Klimaschutz eine Aufgabe, die höchste Aufmerksamkeit benötigt. Ebenso wichtig ist es, sich dabei auf die Kernaspekte zu konzentrieren und diese nicht mit anderen, zum Teil äußerst kontroversen Themen zu vermengen.

Es ist unbestritten, dass es neben der Klimakatastrophe noch weitere Problemfelder gibt, die man idealerweise parallel angehen sollte. Aber für die Bekämpfung des menschengemachten Klimawandels geht es im Kern darum, die Emissionen drastisch zu verringern und dafür weitreichende, aber vor allem vernünftige und technologieoffene Lösungen zu erarbeiten und umzusetzen. Und dafür setzen wir Humanisten uns ein: Unser Herz brennt für Klimaschutz!


Quellen

  1. https://www.tagesschau.de/inland/klimapaket-123.html
  2. https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/klimaschutz-bundesregierung-altmaier-energiewende-1.5194846
  3. https://www.rnd.de/wissen/klimaziele-der-bundesregierung-nur-ein-bereich-auf-kurs-427NGMYVXZQ72QQBCI55AFAL2E.html
  4. https://www.fr.de/frankfurt/fridays-for-future-frankfurt-junge-menschen-fuer-klimaschutz-90096393.html
  5. https://www.regensburg-digital.de/schellnhuber-fridays-for-future-gegen-die-alten-weissen-maenner/01122019/
  6. https://www.hessenschau.de/gesellschaft/darum-geht-fridays-for-future-jetzt-mit-anderen-gruppen-auf-die-strasse,interview-intersektionales-buendnis-frankfurt-100.html
  7. https://www.zeit.de/2020/35/generationenkonflikt-millenials-boomer-koalition
  8. https://www.dw.com/de/klimaschutz-demo-die-erde-ist-so-kaputt-wie-mein-plakat/a-49299890
  9. https://www.deutschlandfunk.de/fridays-for-future-zwischen-rebellion-und-kooperation.724.de.html?dram:article_id=462929
  10. https://taz.de/Parteienbeteiligung-an-Klimademos/!5627533/
  11. https://www.focus.de/politik/gerichte-in-deutschland/gerichte-staerken-radikale-partei-linksextremisten-bei-fridays-for-future-wie-stalin-fans-die-streiks-fuer-sich-nutzen_id_11407189.html
  12. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.fridays-for-future-ueber-parteien-ich-will-kein-teil-des-systems-werden.a97a7141-6124-4d98-b0d9-536fb18c1809.html
  13. https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/fridays-for-future-verliert-aktivisten-an-die-politik-16918974.html
  14. https://taz.de/Aktivisten-treten-zur-Wahl-an/!5704234/
  15. https://www.zeit.de/politik/deutschland/2021-01/landtagswahlen-baden-wuerttemberg-rheinland-pfalz-klimaliste-die-gruenen
  16. https://www.zeit.de/campus/2019-10/extinction-rebellion-klimaaktivisten-camp-berlin-ziviler-ungehorsam
  17. https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2020/10/berlin-extinction-rebellion-haus-der-wirtschaft-blockade.html
  18. https://www.tagesschau.de/faktenfinder/extinction-rebellion-143.html
  19. https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/finanziers-wenden-sich-von-extinction-rebellion-ab-16947159.html
  20. https://www.spiegel.de/wissenschaft/technik/extinction-rebellion-gruender-roger-hallam-wenn-eine-gesellschaft-so-unmoralisch-handelt-wird-demokratie-irrelevant-a-1286561.html
  21. https://www.tagesspiegel.de/berlin/tagelange-klimaproteste-in-berlin-wie-radikal-ist-extinction-rebellion/25100948.html
  22. https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/greta-thunberg-fridays-for-future-klimadebatte-lisa-neubauer-klimaaktivisten-profitieren-vom-kapitalismus-li.106889
  23. Marquardt, J. „Fridays for Future’s disruptive potential: An inconvenient youth between moderate and radical ideas.“ Front. Commun. 5: 48. doi: 10.3389/fcomm.2020.00048 (2020).
  24. https://www.br.de/nachrichten/kultur/corona-zwangspause-wie-geschwaecht-ist-fridays-for-future,SN6M7bn
  25. https://www.facebook.com/fridaysforfuturedortmund/posts/499674670662600/
  26. https://www.nordkurier.de/aus-aller-welt/fridays-for-future-gruppe-wegen-volksverhetzung-angezeigt-0339907807.html
  27. https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/frankfurt/klimastreik-in-frankfurt-die-normalitaet-ist-pervers-16971813.html
  28. https://www.berliner-zeitung.de/news/fridays-for-future-weimar-twittert-die-polizei-diskriminiert-mordet-pruegelt-hehlt-li.90938
  29. https://www.welt.de/politik/deutschland/plus205466017/Klima-Holocaust-Tom-Radtke-Linke-rechtfertigt-seinen-Tweet.html
  30. https://twitter.com/FridayForFuture/status/1361586110850338817
  31. https://twitter.com/FridayForFuture/status/1361761050031497218
  32. https://twitter.com/FridayForFuture/status/1361762809512607744
  33. https://twitter.com/FridayForFuture/status/1362415576119971842
  34. https://www.tagesspiegel.de/themen/reportage/schueler-schlagen-alarm-was-die-mlpd-bei-fridays-for-future-treibt/25496968.html
  35. https://www.dw.com/de/fridays-for-future-ungem%C3%BCtlich-politisch/a-48458191
  36. https://fff-du.de/klimaschutz-und-marktwirtschaft-ein-widerspruch/