Biomasse – Klimaschutz oder Holzweg? Ein Impuls

Disclaimer: Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Impuls. Impulse sind für uns Überlegungen, die noch keine offizielle Parteiposition sind. Derzeit beschäftigt sich unsere AG Klima Umwelt Landwirtschaft Tierschutz (KULT) mit diesem Thema. Lest hier ihre Gedanken:

Heizen mit Holz liegt im Trend und Biomasse gilt gemeinhin als klimaneutrale Art der Energieerzeugung. Doch ganz so einfach ist es dann doch nicht. Verarbeitung, lange Lieferketten und Feinstaub könnten das Bild der „sauberen“ Wärmeenergie trüben. Wie sollte Biomasse eingesetzt werden, um einen nachhaltigen Beitrag zu Klima und Umwelt zu leisten und wo sollte eher über Alternativen nachgedacht werden? Wir haben dazu noch keine beschlossene Position, möchten im Folgenden aber den Stand unserer bisherigen internen Diskussion teilen.

Der Klimawandel schreitet unaufhörlich voran. Innerhalb der nächsten ein bis drei Jahrzehnte, je nach Klimaziel, muss unsere gesamte Energieversorgung und Infrastruktur weitestgehend ohne den Ausstoß von Treibhausgasen auskommen. Mögliche Restemissionen könnten zusätzlich durch Geoengineering kompensiert werden. Während Klimaneutralität bei der Stromerzeugung mit heutigen Technologien schon umsetzbar wäre [1] und es eher an politischem Umsetzungswillen scheitert, ist dies bei der Primärenergie deutlich schwieriger. Diese umfasst den gesamten Verbrauch aller Energieträger in unserer Gesellschaft. Neben Strom sind das vor allem Treibstoffe sowie Wärmeenergie, die größtenteils für Gebäudewärme gebraucht wird. Im Mobilitätssektor schreitet die Elektrifizierung bereits voran, was den Stromverbrauch steigen lassen wird. Im Wärmebereich wurden in den letzten Jahrzehnten besonders beim Verbrauch, also der Einsparung von Wärmeenergie, Fortschritte gemacht. Es braucht jedoch weiterhin eine nachhaltige Wärmequelle, welche CO2-neutral zu Verfügung steht. 

Als einer der Bausteine, um dieses Problem zu lösen, hat sich Biomasse etabliert. Hierbei wird durch die Verbrennung von Pflanzenmaterial, allen voran Holz, Wärme erzeugt. Da Biomasse bei der Entstehung CO2 bindet, besteht hier theoretisch ein klimaneutraler Kreislauf, bei dem genau so viel CO2 bei der Verbrennung freigesetzt wird, wie die Pflanze zuvor für ihr Wachstum aus der Atmosphäre aufgenommen hat [2]. 

Richtig angewendet, ist Biomasse als Energiequelle CO2-neutral. Das ist jedoch oft nicht der Fall.

In der Praxis kommen neben dem eigentlichen Verbrennungsprozess auch Abbau, Verarbeitung und Transport des Brennstoffs hinzu. Das heißt beispielsweise, dass Brennholz, das in Osteuropa geschlagen und nach Deutschland exportiert wurde, derzeitnicht klimaneutral sein kann. Die Klimakosten des Transports werden allerdings umso kleiner, je näher Abbau und Verarbeitung des Holzes am Verbraucher liegen und dabei CO2-neutrale Technologien eingesetzt werden. Daher sollte das Heizen mit Holz ausschließlich über regionale Quellen erfolgen.

Bei Holz und generell Biomasse stellt sich jedoch auch die Frage der Skalierbarkeit. Derzeit werden in Deutschland jährlich ca. 80 Mio. Kubikmeter Holz geschlagen. Teile des inländischen Holzschlags und zusätzliche Importe werden letztlich zur Wärmegewinnung verbrannt. Hinzu kommt sonstige Biomasse, beispielsweise aus landwirtschaftlichen Betrieben und dem produzierenden Gewerbe. Dies ist vom Prinzip her der klassischen Müllverbrennung ähnlich. 

Problematisch kann es werden, wenn Waldflächen ausschließlich zum Zweck der Brennholzerzeugung genutzt werden. Große Heizkraftwerke verbrennen täglich große Mengen an Holz. Ein Kraftwerk in Hamburg beispielsweise benötigt hier am Tag bis zu drei LKW-Ladungen an Hackschnitzeln [3]. Je mehr Holz als Energieträger zum Einsatz kommt, desto größer ist der Bedarf an zusätzlichen industriellen Waldflächen, die ausschließlich zur Brennholzgewinnung genutzt werden.  Dabei können derartige Industriewälder ihre langfristige Biotopfunktion nicht einnehmen und schaden durch hohen Flächenverbrauch und Monokulturen eher der Umwelt [4]. 

Stattdessen bietet sich eine sogenannte Kaskadennutzung an, in der ausschließlich Holzabfälle und Biomasse aus anderen Prozessen verwendet werden, die anderweitig nicht mehr einsetzbar sind [5]. Diese Regulierung würde zu einer automatischen Begrenzung der Holzverbrennung führen. 

Daher ist eine flächendeckende Substitution von fossilen Energieträgern zum Heizen durch Holz schon heute nicht mehr nachhaltig. 

Neben der Frage der Holzinfrastruktur stellt sich zusätzlich noch die Frage nach dem Verbrennungsvorgang. So trägt die Verbrennung von Holz signifikant zur Feinstaubproblematik bei, unter anderem aufgrund veralteter Öfen und damit fehlender Filter oder falscher Handhabung bei der Verbrennung [6]. Dies hat beispielsweise in Stuttgart schon dazu geführt, dass der Betrieb von sogenannten Komfortholzöfen an Tagen mit erhöhten Feinstaubbelastungen verboten wurde [7].

Der absolute Holzweg ist es jedoch, anzunehmen, dass Biomasse in großem Umfang zur umweltgerechten Deckung der Primärenergielast beitragen könnte. Pläne zur Umrüstung von Kohlekraftwerken zur Holz- beziehungsweise Biomasseverbrennung ziehen daher nicht ohne Grund jede Menge Kritik auf sich [8]. 

Lösungsvorschläge

Zusammenfassend kann man sagen, dass Biomasse als Energiequelle zwar klimaneutral sein kann, aber die Klimaneutralität in der praktischen Umsetzung vor allem an Skalierbarkeit scheitert. Hinzu kommt eine gesundheitliche Belastung durch den massenhaften und unsachgemäßen Einsatz von Holzöfen in Privathaushalten. Diese stellen vor allem Regionen mit Feinstaubproblematik vor zusätzliche Herausforderungen. 

Biomasse darf daher keine tragende Rolle in der Primärenergieversorgung spielen.  Stattdessen bieten sich zur flächendeckenden Wärmeversorgung, insbesondere in Stadtgebieten mit Fernwärmeversorgung, eher Solarthermie, Prozesswärme, Wärmepumpen bei Sektorenkopplung, Geothermie und andere Quellen an. Wo diese Möglichkeiten nicht ausreichend verfügbar sind, kann Biomasse die Lücke schließen. Finanzielle Förderung sollte es also nur geben, wenn Alternativen nicht ausreichend sind. 

Quellen:

[1] https://www.agora-energiewende.de/presse/neuigkeiten-archiv/klimaneutralitaet-in-deutschland-bereits-2045-moeglich/ abgerufen am 28.05.2021

[2] CO2-Bilanzen verschiedener Energieträger im Vergleich, Ausarbeitung Deutscher Bundestag 2007, https://www.bundestag.de/resource/blob/406432/c4cbd6c8c74ec40df8d9cda8fe2f7dbb/wd-8-056-07-pdf-data.pdf, abgerufen am 28.05.2021

[3] https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/forst-deutschland-verbrennt-zuviel-holz-aus-dem-wald-a-1002063.html, abgerufen am 14.04.2021

[4] https://www.umweltdialog.de/de/umwelt/biodiversitaet/2020/Mischwaelder-sind-anpassungsfaehiger-als-Monokulturen.php, abgerufen am 28.05.2021

[5] Biomassekaskaden, Mehr Ressourceneffizienz durch Kaskadennutzung von Biomasse – von der Theorie zur Praxis, Texte 53/2017, Umweltbundesamt 2017, https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/2017-06-13_texte_53-2017_biokaskaden_kurzfassung.pdf, abgerufen am 28.05.2021

[6] https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/oekologisch-leben/bauen-und-wohnen/27138.html, abgerufen am 14.04.2021

[7] https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.feinstaub-komfortofen-verbot-an-alarmtagen-ab-1-maerz.d1334dec-e6b4-42c6-bc68-582dfcda35e8.html, abgerufen am 15.04.2021

[8] https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/energiewende-wirtschaftsministerium-will-kohle-kraftwerke-fuer-holz-verbrennung-umruesten-a-0403118b-22cd-41da-958f-f6b3ce1c6ec9, abgerufen am 28.05.2021