Mit der KlimaHanse gegen den steigenden Meeresspiegel

Im aktuellen Wahlkampf für den niedersächsischen Landtag präsentieren wir als einzige Partei eine detaillierte Vision zur Bekämpfung des steigenden Meeresspiegels. In der Kategorie Umwelt und Klima im Wahlprogramm der Partei der Humanisten Niedersachsen sind diesbezüglich zwei Forderungen enthalten:

  1. sofortiger Einstieg Niedersachsens in die ingenieurwissenschaftliche Forschung und Entwicklung von Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Folgen (Geoengineering) mit besonderem Schwerpunkt auf der Verhinderung eines dramatischen Anstiegs des Meeresspiegels,
  2. aktive Beteiligung Niedersachsens an der Gründung einer „KlimaHanse“, einer Interessen- und Aktionsgemeinschaft von Küstenregionen und -städten zur effektiven Bekämpfung des Meeresspiegelanstiegs

Im Detail befürworten wir die Entwicklung von Technologien zur Erhaltung polarer Eisschilde und zur Wiederherstellung des polaren Packeises, damit es seine ursprüngliche kühlende Funktion in den Polargebieten der Erde wieder erfüllen kann.

Niedersachsen ist ein Küstenland, 14 % der Landesfläche liegen unterhalb des Meeresspiegels und sind infolge des Klimawandels zunehmend gefährdet. Die Wahrscheinlichkeit für schwere Stürme nimmt zu, gleichzeitig steigt der Meeresspiegel. Im letzten Bericht des Weltklimarates [1] wurde festgestellt, dass sich der Meeresspiegelanstieg mittlerweile auf 4 mm pro Jahr erhöht hat und weiter beschleunigt. Polare Schmelzwässer haben dabei die thermische Ausdehnung des Meerwassers als wichtigste Ursache für den Anstieg abgelöst. Die Erhöhung des Meeresspiegels bis zum Ende dieses Jahrhunderts wurde mit 61 cm bis 1,10 m angegeben und ausdrücklich betont, dass es durchaus noch schlimmer kommen könnte und regionale Unterschiede hoch seien. Eine aktuellere Umfrage unter Forschern korrigiert den oberen Wert bereits auf 1,30 m. Nicht berücksichtigt ist dabei der antarktische Thwaites-Gletscher, der in den nächsten Jahren instabil werden könnte. Ein kompletter Kollaps dieses Gletschers würde weitere 65 cm zum Anstieg des Meeresspiegels beitragen und könnte andere Gletscher destabilisieren. Und selbst aus der bisher als stabil angesehenen Ostantarktis gibt es Besorgnis erregende Meldungen.

Nach neuen Erkenntnissen hat die Eisschmelze auf Grönland im Verlauf der letzten 20 Jahre den Weltmeeren 4.700 Milliarden Tonnen Wasser zugeführt und 1,2 cm des Anstiegs des Meeresspiegels beigetragen – deutlich mehr als von Wissenschaftlern bisher in Klimamodellen berechnet. Daraus könnten sich bald weitere Korrekturen der Prognosen nach oben ergeben. [2] [3]

Manche Forscher sprechen bereits vom Überschreiten von Kipppunkten, was das Abschmelzen des Grönlandeises unumkehrbar machen könnte. Allein im Grönlandeis ist genug Wasser gebunden, um den Meeresspiegel um 7 m zu erhöhen.

Angesichts dieser Entwicklungen können sich Bewohner von Küstenregionen (auch in Niedersachsen) nicht darauf verlassen, dass die bisher wenig erfolgreichen, globalen Bemühungen zur Emissionsvermeidung von Treibhausgasen rechtzeitig von Erfolg gekrönt sein werden, um einen Verlust ihrer Heimat zu verhindern. Für das Grönlandeis ist offensichtlich bereits die bisher statt gefundene Klimaerwärmung kritisch. Auch Anpassungsmaßnahmen, wie die Erhöhung der Deiche, werden absehbar an ihre Grenzen stoßen. Nur Geoengineering hat noch das Potential, die Küstenregionen langfristig vor dem Untergang zu bewahren. Es ist daher höchste Zeit, diesbezügliche Optionen gründlich zu erforschen. Dies widerspricht in der deutschen Politik vorherrschenden Ansichten. Oft herrschen bei diesenTechnologieskepsis und Misstrauen Ingenieuren gegenüber vor, begründet mit teilweise fadenscheinigen Argumenten – dazu mehr in einem anderen Beitrag. Küstenbewohner, deren Leben und Existenz direkt bedroht werden, können es sich nicht leisten die Hände weiterhin in den Schoß zu legen. Sie müssen handeln, und sie sind gut beraten, sich dazu in einer internationalen Interessengemeinschaft – der KlimaHanse – zu organisieren.

Die Gefahr für unsere Küsten geht von schmelzenden polaren Eisschilden und Gletschern aus. Deswegen konzentrieren wir von der Partei der Humanisten Niedersachsen uns in unserem Wahlprogramm auf Maßnahmen zur Erhaltung dieser Eismassen, das ist unser „Eisschild-Projekt“.

Eine Schlüsselrolle spielt dabei das schwindende Packeis auf polaren Gewässern. Dass sich das Packeis im Sommer immer früher und weiter zurückzieht, trägt entscheidend zur überproportionalen Erwärmung polarer Regionen bei. Ein Wissenschaftler-Team um den Astrophysiker Steven Desch hat 2016 in der Fachzeitschrift Earth’s Future vorgeschlagen, das arktische Packeis dadurch wieder her zu stellen, dass man im Winter Wasser auf die Eisoberfläche pumpt und dieses Konzept mit der Bezeichnung „Arctic Ice Management“ (AIM) versehen. AIM wurde als vielversprechende Methode zur Beeinflussung des Klimas präsentiert – die allerdings 500 Milliarden US-Dollar im Verlauf von 10 Jahren kosten würde. [4]
Diese Kostenschätzung hat in der Presse für ein größeres Echo gesorgt als das Konzept an sich – zu Unrecht.

Als Astrophysiker haben Steven Desch und seine Mitautoren zwar ein gutes Auge dafür an welcher Stelle ein Eingriff ins Erdklimasystem besonders vielversprechend ist, aber keinerlei Expertise, wie das am besten geschehen sollte.

Das vorgestellte Konzept ist gleichzeitig richtungsweisend für den Klimaschutz (weit über den reinen Küstenschutz hinaus) und unbrauchbar vom technischen Standpunkt aus. Daher fordern wir einerseits, dieses Konzept zu verfolgen, andererseits den technischen Ansatz zu dessen Umsetzung komplett zu überarbeiten.

Lorenzo Zampieri und Helge Goessling vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven haben Ende 2019 die Ergebnisse einiger Simulationen zum Einfluss von AIM auf das Klima veröffentlicht [5], die die Leistungsfähigkeit des Ansatzes bestätigen. Jenseits des Polarkreises kann die Erderwärmung ohne Weiteres für Jahrzehnte verhindert bzw. zurückgeführt werden – wertvolle Zeit für die Bewältigung der globalen Energiewende und dringend erforderlich, um den Anstieg des Meeresspiegels in den Griff zu bekommen. Darüber hinaus ist damit zu rechnen, dass eine Abkühlung der Arktis Dauerfrostböden und den Jetstream stabilisieren und die Häufigkeit von Extremwetterlagen wie Dürren, Waldbränden und Starkregenereignissen in den mittleren Breiten der Nordhalbkugel verringern würde.

Auf der technischen Seite sieht AIM den Einsatz von 10.000.000 stationären Windpumpen vor, um das Wasser auf die Eisoberfläche zu befördern. Außerdem haben die Weltraumtheoretiker aus der Wüste Nevadas vorgesehen, das Wasser erst einmal 6m hoch in einen Speicher zu pumpen, von dem aus es dann auf der Eisoberfläche verteilt werden soll. Diese beiden technischen Weichenstellungen – Nutzung stationärer Anlagen und eines hoch-gelegenen Wasserspeichers – führen zu den astronomisch hohen Kosten der Maßnahme, die von Desch et al. kalkuliert wurden. Dass es auch ganz anders geht, zeigen Praktiker in Kanada bei der alljährlichen Errichtung von Ice Roads, wie in einem Dokumentarfilm zu sehen [6]. Die betreffende Stelle folgt nach ca. 7 min.: Ein Kleinlaster ist mit einer Bohrvorrichtung ausgestattet worden. Er fährt vor und bohrt in regelmäßigen Abständen Löcher ins Eis. Ihm folgen mehrere Mitarbeiter mit jeweils einer Pumpe, die eigens für diesen Zweck konstruiert worden ist. Jeder Mitarbeiter setzt die Umgebung eines Eislochs unter Wasser, verschließt das Loch mit dem herumliegenden Auswurf der Bohrung (damit das Wasser nicht zurückfließt) und begibt sich dann gleich zum nächsten freien Eisloch. Er braucht dabei definitiv keinen hoch gelegenen Wasserspeicher und auch keinerlei Rohre, um das Wasser zu verteilen. Die Förderhöhe beträgt weniger als 1 m und sieht immer noch nach Energievergeudung aus, weil das Wasser aus ca. 70 cm Höhe sinnlos auf die Eisoberfläche herunterfällt, um sich dann in der Umgebung zu verteilen. Die Förderhöhe und damit der Pumpenergiebedarf ist hier mindestens 6-mal geringer als bei AIM vorgesehen und der Spielraum für weitere Senkungen ist offensichtlich.

Indem die Arbeiter Wasserlachen erzeugen, um dann gleich weiterzugehen, nutzen sie das flüssige Wasser als potenten Wärmespeicher, um Kostensenkungen zu generieren. Eine 1 cm tiefe Lache enthält 10 Liter Wasser pro m2, dieses gibt beim Gefrieren rund 0,9 kWh an latenter Wärme frei. Diese Wärme an die Atmosphäre abzuführen, dauert unter arktischen Bedingungen ca. 2 h. Eine mehrere Zentimeter tiefe Wasserlache benötigt entsprechend mehr Zeit. Das Gefrieren ist also ein langwieriger Prozess und es macht keinen Sinn, das Pumpequipment vor Ort zu belassen, bis das Wasser gefroren ist. Die Fläche stellt keinen Kostenfaktor dar – das Equipment schon.

Mit der in Kanada bewährten Strategie, einer noch geringeren Förderhöhe und für den Einsatz auf dem Ozean optimierten Robotern würde es bei Verwendung von Verbrennungsmotoren und fossilen Energieträgern weniger als 1 Milliarden Euro jährlich kosten, das Packeis in der Arktis zu restaurieren. Etwas teurer wird es, wenn man auf klimaneutrale Energieträger besteht. Zu empfehlen wären dann Wasserstoff und Brennstoffzellen.

Auf jeden Fall handelt es sich um Kosten, die zur Not sogar vom Land Niedersachsen im Alleingang getragen werden könnten, erst recht und geradezu mühelos von einer Koalition vom Meeresspiegelanstieg bedrohter Städte und Regionen. In der Antarktis kann ebenso verfahren werden. Diese Geoengineering-Maßnahme bildet das Kernstück unserer Vision zur Rettung polarer Eisschilde.

Mit dem simplen Pumpen von Wasser auf die Eisoberfläche kann nicht nur die Erwärmung polarer Gebiete rückgängig gemacht werden. Es kann auch gezielt dazu eingesetzt werden, Eisschilde zu regenerieren. Wenn an der Meeresoberfläche kaltes Eis von wärmerem Wasser bedeckt wird, führt das zur Erwärmung und Befeuchtung der Luft und zu höheren Niederschlägen in Windrichtung. An geeigneten Orten unter Berücksichtigung der Windrichtung durchgeführt, kann AIM daher eingesetzt werden um nebenbei die winterliche Niederschlagsmenge über Eisschilden zu erhöhen und sie gezielt wachsen zu lassen.

Zusätzlich erzeugtes Packeis kann auch genutzt werden, um dem Unterspülen von Gletscherzungen mit warmem Wasser im Sommer entgegenzuwirken und die Gletscher so zu stabilisieren.

Es liegt darüber hinaus nahe, die forcierte Packeisbildung im Winter in der Arktis um Maßnahmen zu ergänzen, die die Schmelze im Sommer verlangsamen. Die Wärmezufuhr über die Atmosphäre ist in der Arktis inzwischen so ausgeprägt, dass der Schnee auf der Eisoberfläche im Sommer komplett wegschmilzt und Schmelztümpel auf der Eisoberfläche bildet. Diese sind deutlich dunkler als das Packeis und erhöhen damit auch jenseits der Schmelzfront die Menge der aufgenommenen Sonnenenergie. Hier bietet sich als sehr kostengünstige Geoengineering-Maßnahme an, das Eis unter den Schmelztümpeln an den tiefsten Stellen zu durchbohren und das Wasser einfach ohne weiteren Energieaufwand abfließen zu lassen. Hierfür könnten autonome Roboter entwickelt und eingesetzt werden. Die Energieversorgung könnte im polaren Sommer mit Photovoltaik erfolgen.

Unsere Vision Eisschild-Projekt umfasst also bisher vier konkrete Maßnahmen:

  1. Wiederherstellung des Packeises
  2. Ablassen von Schmelztümpeln
  3. mehr Schneefall über Eisschilden
  4. Schutz der Gletscherzungen vor Unterspülung mit warmem Wasser

Diese konkreten Vorschläge zur Bekämpfung des steigenden Meeresspiegels und damit zum dauerhaften Schutz der Heimat von einer Million Niedersachsen sind ein Alleinstellungsmerkmal der Partei der Humanisten und ein guter Grund uns zu wählen. Die etablierten Parteien sind mit ihrem Latein am Ende. Es ist Zeit für Plan B.

[1] https://www.ipcc.ch/srocc/home/
[2] https://www.tagesschau.de/ausland/europa/groenland-eisschmelze-klimaerwaermung-101.html
[3] https://www.scinexx.de/news/geowissen/groenland-schmelze-ueberholt-prognosen/
[4] https://agupubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/2016EF000410
[5] https://doi.org/10.1029/2019EF001230
[6] https://www.youtube.com/watch?v=nUlfIZUC3Fg